Doppelbegabung in klassischer Tradition


Ernest Hiltenbrands Eltern vermittelten ihm die Liebe zur Kunst und zur Musik. Er entschied sich nicht für das eine oder das andere, sondern wurde beides: Maler und Musiker.

Niklaus Rüegg - Ernest Hiltenbrand begann, stimuliert durch ein kunstaffines Elternhaus, schon in sehr jungen Jahren zu zeichnen und mit Wasserfarben zu malen. Nach dem Schulabschluss wollte er an die Kunstgewerbeschule, war aber mit sechzehn Jahren noch zu jung. Stattdessen entschied er sich für die Kunstglaserei. Während seiner Ausbildung nahm er am Conservatoire de musique de Strasbourg ein

Ernest Hiltenbrand (2020)

Hornstudium auf. In Frankreich galt damals, dass man kein Musikstudium machen durfte, ohne noch einen anderen Beruf zu erlernen. Nach den drei Lehrjahren bot sich ihm unter anderem die Gelegenheit, bei der Restauration der Fenster am Strassburger Münster mitzuarbeiten. Seine erste Orchesterstelle nach dem Musikstudium erhielt er im Symphonieorchester von Quito, im südamerikanischen Ecuador. Er bekam einen Dreijahresvertrag, musste aber nach einem Jahr zurück nach Frankreich, um seinen Mililtärdienst zu leisten. Er ging nach Paris und spielte im französischen Militärorchester. Nach zwei Jahren Dienst spielte er ein Jahr im Orchester der Strassburger Oper, dies bevor er 1968 erfolgreich beim «Musikkollegium Winterthur» vorspielte. Diesem Orchester gehörte Ernest Hiltenbrand sodann während 40 Jahren an.
Das Jahr in Quito in den Sechziger Jahren hatte eine nachhaltige Wirkung in seinem Leben. Noch heute verbringt er jährlich bis zu zwei Monate in Ecuador, musiziert und arbeitet in Entwicklungsprojekten mit der indigenen Bevölkerung.

Gesetzmässigkeiten in den Künsten

Heute ist der 74-jährige Künstler im zürcherischen Wiesendangen als freischaffender Kunstmaler und Komponist tätig. Als Maler fertigt er zumeist grossformatige Ölbilder an. Stilistisch deckt er ein weites Feld ab. Abstrakten Werken stehen «sakrale» Bilder, etwa in Form von archaischen Innenräumen gegenüber, wie man sie von mittelalterlichen Kirchen kennt. Der Maler und Komponist orientiert sich

Atelier von Ernest Hiltenbrand

gerne an Proportionen, Harmonien und klaren Strukturen des Barocks und der Klassik: «Im Barockzeitalter und der Renaissance wurde in der Kunst nach genauen Gesetzmässigkeiten gearbeitet. In der Musik ist das ganz ähnlich. Bis in die Romantik hatten Akkorde bestimmte Funktionen». Johann Sebastian Bach gehört zu Hiltenbrands grossen Vorbildern. Er komponiert tonale, sich an den harmonikalen Gesetzen der Klassik orientierenden Musik. In der Malerei bezieht er gerne die Form- und Farblehre mit ein und berücksichtigt den Goldenen Schnitt. Er schätzt die Barockmaler oder auch die Impressionisten. Die Wirkungen von Licht und Farben sind charakteristisch für seine Ölbilder. Seine abstrakten Serien erinnern oft an Kirchenfenster. «Ich transportiere sehr gerne die Erhabenheit gotischer Kathedralen, die Stimmung der sakralen Räume», erklärt der Künstler.
Dass er anfing zu komponieren, hatte ganz praktische Gründe: Wenn er für seine Blockflöten-, Pan- und Hornschüler nichts Passendes fand, schrieb er für sie dem Können angepasste Stücke. Mit der Zeit wurden andere Personen und Musikgruppen auf ihn aufmerksam und bestellten Stücke. Inzwischen ist er bei Opus 159 angelangt. Im Moment ist er gerade an einem Arrangement des Liedes «Die Himmel rühmen» von Beethoven für eine Blockflötengruppe. Die Bearbeitung sei nicht ganz streng werkgetreu, sondern mit einigen eigenen Elementen versehen.

 

Das Guggisberg-Lied in einer Instrumentalfassung

Hiltenbrand hat drei Verlage, die Stücke von ihm herausgeben. Eine besondere Perle ist die 2013 entstandene Elegie nach dem Guggisberg-Lied für Viola und Klavier, Op. 118 B, das kürzlich beim Viola

Viva-Verlag herausgegeben wurde. «B» deshalb, weil es sich um eine Bearbeitung handelt. Das Original ist für Horn geschrieben. Horn und Viola liessen sich gut ersetzen, meint Hiltenbrand: «Ich habe im Orchester 40 Jahre lang hinter der Violagruppe gesessen. Ich kenne dieses Instrument deshalb sehr gut. Der Klang hat Ähnlichkeiten mit dem Horn». Warum das Guggisberg-Lied? Hiltenbrand: «Weil es als eines der wenigen Volkslieder in Moll geschrieben ist. Ich schreibe gerne in Moll, denn ich mag das Melancholische in der Musik mehr als das Lustige».
Eine angemessene Präsentation seiner Kunst im Internet ist dem vielseitigen Künstler sehr wichtig. Er schreibt seine Kompositionen in einem Musikprogramm und verwendet die «Vienna Symphonic Library» für einen möglichst naturgetreuen Instrumentenklang. Ausserdem unterlegt er seine Stücke mit einer Diashow seiner Bilder.


Bilder: © 2020 Mark Walder

Noten von Ernest Hiltenbrand

 

Bilder von Ernest Hiltenbrand

 

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