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Einem besonderen Umstand ist es zu verdanken, dass diese beiden nun erstmals bei ortus erschienenen Sonaten in Es- und F-Dur für Viola und B.c. von Antoniotto in der Library of Congress in Washington aufgespürt werden konnten. Obwohl sie Franz Zeyringer bereits 1985 in seinem Viola-Literaturverzeichnis aufführte – allerdings jeweils mit dem Hinweis «Verl.[ag] n.[icht] erm.[ittelt]» (siehe Franz Zeyringer, Literatur für Viola, Hartberg 1985, S. 135) – blieb ihre Existenz bis heute unbekannt.
Über die internationale Musikquellen-Datenbank RISM online ließen sich die Quellen in Washington ermitteln:
https://opac.rism.info/search?id=000118096
https://opac.rism.info/search?id=000118097
Beide Handschriften sind dort als (Kopisten)abschriften klassifiziert (Stand: Juli 2017). In Wirklichkeit handelt es sich aber um Kompositionsautographe. Die Es-Dur-Sonate ist sogar datiert auf das Jahr 1753. Damit dürfte es sich um die früheste Sonate für Bratsche und B.c. handeln, die als Kompositionsautograph überliefert ist. Die F-Dur-Sonate könnte ebenfalls in den 1750er Jahren entstanden sein.
Die Sonate in Es-Dur von Antoniotto ist auf einer Aufnahme der Bratschistin Pauline Sachse mit spätbarocken Sonaten für Bratsche und Tasteninstrument, die Mitte Oktober 2017 bei dem Label CAvi erschien, eingespielt: https://www.highresaudio.com/de/album/view/jsn66x/pauline-sachse-andreas-hecker-viola-galante
Ein großartiger Musiker und Mensch, begeisternd bis zuletzt! Die beiden Werke für Va sind sehr zu empfehlen. Nicht abartig schwer, dennoch wirkungsvoll.
Bei der Sonate in g-Moll für Viola und Klavier, erschienen bei Editio Alto, handelt es sich um die moderne Bearbeitung eines ursprünglich für Oboe oder Flauto traverso, Streicher und B.c. entstandenen Solo-Konzerts. (Eine Vorgängerausgabe der Bearbeitung für Bratsche erschien zuvor ca. 1880 bei dem Leipziger Verlag J. Schuberth & Co.). Im Händel-Werkverzeichnis (siehe HWV 287) wurden bereits Zweifel an der Echtheit der angeblich 1703 in Hamburg entstandenen Komposition geäußert, da kein Händelsches Autograph nachweisbar ist.
(Für weitere Informationen siehe Hans Joachim Marx und Steffen Voss, Die G. F. Händel zugeschriebenen Kompositionen, 1700-1800 / The compositions attributed to G. F. Handel, 1700-1800 (HWV Anh. B), Hildesheim 2017, Anh. B 323, S. 180-182.)
Der etwa 1783 bei dem Verlag Johann Julius Hummel erschienene Erstdruck der Sonate in B für Cembalo oder Hammerklavier mit obligater Viola wird von der Bayerischen Staatsbibliothek als Digitalisat zur Verfügung gestellt (Signatur: 4 Mus.pr. 68300): http://reader.digitale-sammlungen.de
Das Avertissement für Viola und Streicher ist in der Bayerischen Staatsbibliothek in einer zeitgenössischen Stimmenabschrift überliefert (Signatur: Mus.ms. 7355), die online zur Verfügung steht: http://daten.digitale-sammlungen.de
Unser Wissen über Markus Heinrich Grauel (auch Graul) ist nicht sehr umfassend. Bekannt ist, dass er in der preußischen Hofkapelle Friedrichs II. als Cellist wirkte und dass er auch als Komponist in Erscheinung trat. Von seinen Kompositionen haben sich neben einer Sonate für Violine und Cembalo nur ein Violin- und ein Violoncellokonzert sowie 2 Violakonzerte in Es und C erhalten. Bei einem 3. Violakonzert in Es, das im Bestand der Sing-Akademie zu Berlin in 2 Abschriften überliefert ist, von denen die eine Grauel (Signatur: SA 2685) und die andere Graun als Autor benennt (Signatur: SA 2725), ist nach aktuellem Kenntnisstand Johann Gottlieb Graun als der wahrscheinlichere Urheber anzunehmen (im Graun-Werkverzeichnis unter Cv:XIII:116; dieses Konzert ist 2015 bei Ortus erschienen: http://www.ortus-musikverlag.de/de/sing-akademie-archiv/om204).
Im Rahmen einer Graduierungsarbeit zur Erlangung des Titels Doctor of Musical Arts (D.M.A.), die Griffin F. Browne 2013 unter dem Titel Violoncello Concerto in A Major by Markus Heinrich Graul: A Performance Edition an der University of Memphis vorlegte, wurde erstmals eine umfassendere Studie zum Leben und Werk von Grauel präsentiert, die sich vorrangig auf sein Violoncellokonzert und die Grauel-Quellen im Archiv der Sing-Akademie zu Berlin konzentrierte, allerdings ohne die Originalquellen zu konsultieren.
Außerdem sei auf einen Artikel von Marshall Fine verwiesen, der 2015 im Journal of the American Viola Society, vol. 31/1, S. 31-38, erschien: «The Viola Concertos of J. G. Graun and M. H. Graul Unconfused». In einer Gegenüberstellung werden die Komponisten Grauel und Graun stilistisch voneinander unterschieden. Leider geht Fine, der sich auch auf Browne bezieht, von den falschen Voraussetzungen aus, dass das o.g. Violakonzert GraunWV Cv:XIII:116 von Grauel stammt und dass es sich bei dem in Schwerin anonym überlieferten Violakonzert (Signatur: Mus.329) um ein Werk von Johann Gottlieb Graun handelt (der 1976 bei Simrock erschienenen Erstausgabe des Konzerts von Walter Lebermann folgend) – was inzwischen als Fehlzuweisung bewertet wurde. Auch im Hinblick auf Schreiber und Chronologie der Abschriften zieht Fine kaum nachvollziehbare Schlüsse. Außerdem berücksichtigt er nicht alle vorhandenen Quellen.
Zum aktuellen Forschungsstand siehe auch das Vorwort der Ortus-Ausgabe des Violakonzerts von Markus Heinrich Grauel von 2015: http://www.ortus-musikverlag.de/de/sing-akademie-archiv/om191
Die Gattung des sogenannten Quadro – im Prinzip erweiterte Triosonaten für drei Oberstimmen und Generalbass – ist unter anderem durch Johann Gottlieb Janitschs gemischt besetzte Kompositionen geprägt. Darunter sticht namentlich das Quadro in g-Moll mit dem zeitgenössischen Beinamen «O Haupt voll Blut und Wunden» hervor. Das Werk ist in verschiedenen Besetzungen überliefert. Man nimmt an, dass die ursprüngliche Besetzung aus Oboe, Violine, Viola und B.c. bestand. Daneben existiert aber auch eine Fassung für Flauto traverso, zwei Bratschen und B.c., die als Stimmenabschrift im Notenarchiv der Sing-Akademie zu Berlin erhalten ist und online zur Verfügung steht (Signatur: SA 3149): http://digital.staatsbibliothek-berlin.de
Bei der Sonate in g-Moll handelt es sich nicht um eine Originalkomposition, sondern um eine moderne Bearbeitung.
Über Henry Eccles (junior) ist nicht viel bekannt. Man vermutet, dass der in England geborene Violinist und Komponist Sohn von Solomon und Bruder von John Eccles war. Zeitweise hat Henry wohl auch in Paris gelebt, wo er 1720 und 1723 zwei Serien mit generalbassbegleiteten Violinsonaten veröffentlichte.
Die 11. Sonate des ersten Drucks op. 1 entspricht dem Werk in g-Moll, dessen Autorschaft allerdings mit Zweifeln behaftet ist.
(Auszug der Sonate in g-Moll im Originaldruck: http://ks.petruccimusiclibrary.org/Henry-Eccles)
In der Serie op. 1 entstammen nicht weniger als 18 Sätze den Allettamenti per camera op. 8, Rom 1714, von Giuseppe Valentini. Die 11. Sonate soll jedoch größtenteils von Henry Eccles stammen, nur der 2. Satz geht auf Francesco Antonio Bonportis Invenzioni da camera op. 10, Nr. 4, Bologna 1712, zurück.
(Siehe auch Andreas Moser, «Musikalische Criminalia», in: Die Musik, Jg. 15, Heft 6, März 1923, S. 423 ff., und W. Barcley Squire, «Henry Eccles's Borrowings», in: The Musical Times, November 1923, S. 790.)
Dass das Werk heute als Viola- bzw. Violoncellosonate noch immer große Beliebtheit genießt, ist erstaunlich, zumal seine Popularität vor allem mit den starken herausgeberischen Eingriffen in der Solostimme und im ausgesetzten Generalbass bestimmter Ausgaben in Verbindung steht. Paul Klengels spätromantische Version mit Bratsche steht in deutlicher Distanz zur hochbarocken Originalfassung: https://www.youtube.com/watch
Auch der Ansatz des Verlags Edition Walhall, das Werk in den modernen Bearbeitungen für Viola und Violoncello unter dem Urtext-Label anzubieten, ist mit Skepsis zu sehen. Der Urtext-Begriff erscheint hier fragwürdig und wäre überhaupt nur für die Violinfassung anwendbar.
Siehe auch die Bemerkungen von PhSch bei der Sonate G-dur, BWV 1027, für Viola da gamba (Bratsche) und Cembalo.
Siehe auch die Bemerkungen von PhSch bei der Sonate G-dur, BWV 1027, für Viola da gamba (Bratsche) und Cembalo.
Wie auch bei dem lange Johann Christian Bach zugewiesenen Konzert in c-Moll handelt es sich bei dem Georg Friedrich Händel zugewiesenen Konzert in h-Moll um eine Fälschung von Henri Casadesus. In dem Aufsatz «Apokryph, Plagiat, Korruptel oder Falsifikat» (in: Die Musikforschung, 20. Jg., Heft 4, Kassel 1967, S. 413-425) stellt Walter Lebermann unmissverständlich klar, dass beide Konzerte keinen Bezug zu den Komponisten des 18. Jahrhunderts haben. Außerdem kann sich Lebermann auf eine Auskunft der Witwe von Henri Casadesus berufen, die die Fälschungen ihres Mannes bestätigt.
Schon bald nach dem Erscheinen im Jahre 1924 bei dem Verlag Eschig in Paris (das Konzert erschien dort auch in Solofassungen für Violine, Violoncello, Oboe und Trompete) kamen Zweifel an der Echtheit der vermeintlichen Komposition Händels auf, gegen die sich Henri Casadesus mehrmals beschwichtigend verteidigte, indem er beteuerte, dass es sich um eine Originalkomposition handeln würde – allerdings ohne weitere Informationen preiszugeben.
Zweifel klingen auch in einem englischen Zeitungsartikel an, der am 3. Dezember 1943 unter dem Titel «Editing old Music. Ethics of Treatment» in The Times in London veröffentlicht wurde: «Between composer and listener there is an intermediary – the performer. [...] [H]owever, [there is] another intermediary, who operates between composer and performer in music written before the last quarter of the eighteenth century.
He is the editor. His work is necessary to the modern performance of old music since in the evolution of the art changes of instrument, of convention, of notation, have separated the executant from an understanding of the old composer's text. The editor may have to transcribe from lute or harpsichord to piano; he may have to realize a figured bass; he may have to interpret for singers the graces which tradition has almost forgotten. In all these and other such matters three things are required of him – knowledge, honesty and taste.
Handel and the viola provide convenient object lessons of the way an editor should and should not set about his task. There is a concerto in B minor scored for two flutes and strings, not to be traced in the list of Handel's works, but falling agreeably upon the ear. Its editor, Henri Casadesus, who prepared it for a Paris society interested in old instruments and their music, does not explain the suspicious fact that it is cast in only three movements – an andante between two allegro movements. Nor does he say where he found the music, or whether it was written originally for viola d'amore. He covers his tracks.»
Auch der Händel-Forscher Hans Joachim Marx berief sich auf Lebermann. Dieser habe 1967 «überzeugend dargelegt, daß die Komposition keine 'Rekonstruktion' aus überliefertem Quellenmaterial ist, sondern eine dem Händelschen Stil nachempfundene Fälschung des bekannten Viola-Virtuosen Henri Gustave Casadesus (1879-1947). Da sich weder handschriftliche Vorlagen noch thematische Entlehnungen aus gesicherten Werken Händels nachweisen lassen, kann auch nicht von einer Bearbeitung oder Orchestrierung gesprochen werden. Ähnlich wie bei dem von seinem Bruder Marius Casadesus (1892-1981) herausgegebenen, Mozart zugeschriebenen 'Adelaide'-Konzert KV Anh. 294a, hat Henri Casadesus versucht, mit dem 'Händel'-Konzert die im Entstehen begriffene Alte-Musik-Szene mit einem anscheinend unbekannten Werk Händels zu verblüffen. Obwohl die Komposition spätestens seit 1967 als Fälschung bekannt ist, hat der Verlag der Erstausgabe sie unter Händels Namen wiederholt nachgedruckt (zuletzt 2000). Als ein Werk Händels ist es verschiedentlich auch eingespielt worden, u.a. von William Primrose mit dem RCA Victor Symphony Orchestra unter der Leitung von Frieder Weissmann (PEARL, Gemm CD 9252, LC 1836), wiederaufgelegt unter dem Namen Casadesus als Viola Concerto in the Style of Handel (Naxos 8.110316).»
(Siehe Hans Joachim Marx und Steffen Voss, Die G. F. Händel zugeschriebenen Kompositionen, 1700-1800 / The compositions attributed to G. F. Handel, 1700-1800 (HWV Anh. B), Hildesheim 2017, Anh. B, F 03, S. 221-223, sowie: https://www.americanviolasociety.org/PDFs/Education)
Das Orchester ist übrigens folgendermaßen besetzt: 2 Fl., 2 Fag. und Streicher.
Es ist erstaunlich, dass zu den bekanntesten und meistgespielten Violakonzerten des 18. Jahrhunderts heute eine Komposition gehört, die weder original, noch als besonders gelungene Stilkopie zu bewerten ist. Es ist schon seit geraumer Zeit bekannt, dass es sich bei dem Johann Christian Bach zugewiesenen Violakonzert in c-Moll sowie bei dem Georg Friedrich Händel zugewiesenen Violakonzert in h-Moll um Fälschungen von Henri Casadesus handelt. In dem Aufsatz «Apokryph, Plagiat, Korruptel oder Falsifikat» (in: Die Musikforschung, 20. Jg., Heft 4, Kassel 1967, S. 413-425) stellt Walter Lebermann unmissverständlich klar, dass die Konzerte keinen Bezug zu den Komponisten des 18. Jahrhunderts haben. Außerdem kann sich Lebermann auf eine Auskunft der Witwe von Henri Casadesus berufen, die die Fälschungen ihres Mannes bestätigt.
Dennoch hat sich vor allem das Konzert von J. C. Bach im Konzertleben fest etabliert. Die Ursachen dafür sind allerdings weniger mit der besonderen Qualität der Komposition zu begründen, die genaugenommen so gut wie keine Ähnlichkeiten mit Bachs Kompositionsstil aufweist, sondern eher mit dem Wunsch, das schmale Violarepertoire des 18. Jhts. zu bereichern, was durchaus nachvollziehbar ist. Man muss auch berücksichtigen, dass die Fälschungen in einer Zeit aufkamen, in der man kaum Zugang zu den Originalquellen hatte und über viele uns heut landläufig bekannte Komponisten so gut wie nichts wusste. Der Ansatz, Unbekanntes auf diese Art bekannt zu machen, erscheint uns heute höchst fragwürdig, trug aber mit Sicherheit zu einem wachsenden Interesse an bestimmten Werken oder Komponisten bei.
Im Falle des Violakonzerts in c-Moll (das auch in Fassungen für Violine bzw. Violoncello kursiert) sollte es sich um eine 1768 in London entstandene Komposition handeln, die laut Vorwort der Erstausgabe von 1947 bei Salabert als ursprüngliche Fassung für «Viole, Violoncello, Viola ou Viola Pomposa avec essai d'accompagnement de Piano à marteaux» vorlag, und die Henri Casadeus 1916 von Camille Saint-Saëns, dem Ehrenpräsidenten der Société des Instruments Anciens, einer Institution, die sich der Förderung der Alten Musik verpflichtete und die Casadesus 1901 gegründet hatte, erhielt. Casadesus will dann das Werk «rekonstruiert» und mit Harmonien versehen haben, während sein Bruder, Francis, die Orchestrierung besorgte.
In dem Briefroman Das Gesetz des Irrsinns beschreibt Dieter Kühn seine ersten Eindrücke von dem Konzert in c-Moll: «Und ich selber, als Rezipient? Ich bin nicht resistent gegenüber Fälschungen. Zwar höre ich viel Musik, auf Tonträgern wie in Konzerten, zwar habe ich hin und wieder einen Essay über Musikrezeption geschrieben, habe gelegentlich eine Musiksendung moderiert im WDR oder SWR – und doch war (und bin) ich begeistert über ein Viola-Konzert, das Johann Christian Bach zugeschrieben wurde.
Vor zwanzig, dreißig Jahren hatte ich es (zum ersten und einzigen Mal) im Funk gehört, hatte es vielleicht auch mitgeschnitten auf Tonband [...]. Noch jetzt [...] habe ich das Eröffnungsthema des Bratschenkonzerts im Kopf, es gehört zum festen Bestand der Musik-Erinnerungen. Der zweite und dritte Satz haben allerdings keine Spuren hinterlassen.
Das Thema des ersten Satzes klingt freilich wie ein Echo auf das Werk von Urvater Bach und nicht auf Werke seines Sohnes Johann Christian. Ich habe mich in dessen Œuvre (wie in das seines Bruders Carl Philipp Emanuel) eingehört, im Lauf von Jahren, und muss konstatieren: Die beiden genannten Söhne haben, in Symbiosen mit ihrer Zeit, jeweils einen eigenen, neuen Stil entwickelt. [...]
Hätte ich damals schon Musik von Johann Christian Bach im Ohr, im Kopf gehabt, so wäre mir, hoffentlich, der krasse Stilunterschied aufgefallen. Erst recht hätte Experten, Musikwissenschaftlern die Zuschreibung auffallen müssen: Kann stilistisch nicht vom Londoner Bach stammen, was ist da los?!
Nun, es liegt eine Fälschung vor. Und zwar, das muss ich gleich betonen: Eine Fälschung, die mir auf Anhieb gefiel und mir weiterhin gefällt, obwohl ich längst weiß ... [...].
Zum Tathergang und Tatbestand: Es ist seit Jahrzehnten bekannt, dass Henri Casadesus, Geiger aus der Casadesus-Musikerdynastie, dieses Konzert kreiert hat. [...] Problem ist nur: das Repertoire an Kompositionen für die Bratsche ist eng. So wurde es von Henri Casadesus klammheimlich erweitert.
Und wie verhält sich die Musikbranche nach der Enttarnung? Diese Frage hole ich nach und staune: Das Werk hat noch Präsenz! Auf YouTube einige Mitschnitte von Konzertaufführungen, vor allem im östlichen Europa, interpretiert von Bratschern, deren Namen mir fremd sind, deren Interpretationen überzeugen. Da klingt der Eröffnungssatz genauso frisch, wie ich ihn in Erinnerung behalten habe, zumindest fragmentarisch.
Der langsame Satz hingegegen hat sich, wie schon angedeutet, nicht weiter eingeprägt. Hier lautet die Satzbezeichnung: Adagio molto espressivo. Das klingt eher nach 19. als nach 18. Jahrhundert! Aber Bratscher werden hier bestens bedient: viele Sequenzen in den tiefen Lagen des Instruments, satter Sound lässt sich entfalten.
Ist diese Musik, obwohl als Fälschung längst entlarvt, nicht kleinzukriegen? Nein, das Werk liegt sogar im Druck vor. Das Titelbild wird von Amazon reproduziert: Violakonzert 'im Stil von J. C. Bach'. Henri Casadesus wird gleichfalls genannt, als 'Herausgeber'. So zieht man sich aus der Affaire.»
(Siehe Dieter Kühn, Das Gesetz des Irrsinns, Frankfurt am Main 2013, S. 474-476.) – Und man möchte hinzufügen, dass auch Verlage wie Edition Peters das Konzert mit einer irreführenden, bzw. tradierten Titelzuweisung anbieten: http://www.edition-peters.de/product/konzert-fur-viola-und-orchester-c-moll/ep8878
Dass das Werk heute im Lehrbetrieb und Konzertleben noch immer diesen einflussreichen Stellenwert einnimmt, ist kaum noch verständlich, denn inzwischen liegen viele Originalkompositionen des 18. Jhts. in modernen Editionen vor, die allein durch ihre Überlieferung, aber auch qualitativ weit über Casadesus' Werk stehen. Anderseits kann das Werk auf eine gewisse Aufführungstradition zurückblicken, die den Konzertunternehmern offenbar einen nicht zu vernachlässigenden Absatz garantiert. (Siehe auch: https://theviolaexperiment.wordpress.com/2013/03/30/j-c-bach-concerto-in-c-minor/ oder http://www.americanviolasociety.org/PDFs/Journal/JAVS-2_2.pdf [S. 10-16] und Ernest Warburton, Thematic Catalogue [= The collected works of Johann Christian Bach, Bd. 48/1], New York 1999, Nr. YC 98, S. 573.)
Das Orchester ist übrigens folgendermaßen besetzt: 2 Fl., 2 Ob., 2 Fag., 2 Hn., 2 Tr., Pk. und Streicher.
https://www.youtube.com/watch?v=Jpy3oviJGIM
(Aufnahme mit Wolfram Christ und den Berliner Philharmonikern unter Lorin Maazel.)
Es ist bekannt, dass Niccolò Paganini Berlioz zur Komposition der Programmsinfonie Harold en Italie anregte. Die merkwürdigen Umstände eines Besuchs Paganinis hielt Berlioz in seinen Memoiren fest: «'Ich habe eine wundervolle Bratsche', erzählte er [Paganini] mir, 'eine herrliche Stradivari, und ich würde sie gern einmal öffentlich spielen. Aber ich habe kein Stück ad hoc. Wollen Sie mir ein Solo für Bratsche schreiben? Ich mag diese Arbeit nur Ihnen anvertrauen.' 'Gewiss', antwortete ich ihm, 'Ihr Vertrauen schmeichelt mir mehr, als ich sagen kann, nur – um Ihre Erwartungen zu erfüllen, um in einer solchen Komposition einen Virtuosen wie Sie angemessen zur Geltung zu bringen, muss man Bratsche spielen können, und ich kann es nicht. Mir scheint, nur Sie allein könnten dieses Problem lösen.' 'Nein, nein, ich bestehe darauf', sagte Paganini, 'es wird Ihnen gelingen; ich selbst fühle mich momentan viel zu krank, um zu komponieren, daran ist nicht zu denken.'
Um dem berühmten Virtuosen einen Gefallen zu tun, versuchte ich also, ein Solostück für Bratsche zu schreiben, ein Solo jedoch, das auf eine Weise mit dem Orchester verbunden war, dass dieses nicht in den Hintergrund gedrängt wurde, denn ich war sicher, dass Paganini mit seiner unvergleichlichen spielerischen Präsenz dafür sorgen würde, dass die Bratsche immer die Hauptrolle behielt. Die Aufgabe erschien mir neu, und bald hatte ich in meinem Kopf ein vielversprechendes Konzept entwickelt und machte mich mit Feuereifer daran, es in die Tat umzusetzen. Kaum war der erste Satz fertig, wollte ihn Paganini auch schon sehen. Beim Anblick der Pausen, welche die Bratsche im Allegro hatte, rief er: 'Das geht nicht! Ich habe da viel zu lange tacet; ich muss unentwegt spielen.' 'Ich habe es ja gesagt', antwortete ich, 'Sie wollen ein Konzert für Bratsche, und in diesem Fall können nur Sie allein es für sich selber schreiben.' Paganini erwiderte nichts, er schien enttäuscht und ging, ohne noch weiter über meine sinfonische Skizze zu sprechen. Einige Tage später reiste er, bereits an der Kehlkopfkrankheit leidend, an der er sterben sollte, nach Nizza, von wo er erst drei Jahre später zurückkehrte.
Als ich erkannte, dass sich meine Kompositionsidee nicht für ihn eignete, bemühte ich mich, sie anderweitig auszuarbeiten, ohne mir länger darüber Gedanken zu machen, wie die Solobratsche möglichst virtuos hervortreten könnte. Ich stellte mir eine Folge von Szenen für Orchester vor, in denen die Bratsche mehr oder weniger wie eine handelnde Person auftreten sollte, die immer ihren eigenen Charakter bewahrt; ich wollte aus der Bratsche, indem ich sie mit den poetischen Erinnerungen umgab, die ich von meinen Streifzügen durch die Abruzzen behalten hatte, eine Art melancholischen Träumer machen wie Byrons Childe Harold. Daher der Titel der Sinfonie: Harold en Italie.» (Siehe Hector Berlioz. Memoiren, Neuübersetzung, hrsg. von Frank Heidlberger, übersetzt von Dagmar Kreher, Kassel 2007, Kapitel XLV, S. 268 ff.)
Berlioz' Kompositionsautograph im Besitz der Bibliothèque nationale de France in Paris steht online zur Verfügung (Signatur: MS-1189 (1)): http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b550065087
Daneben ist dort auch eine Abschrift eines von Franz Liszt angefertigten und von Berlioz durchgesehenen Klavierauszugs erhalten (Signatur: MS-171): http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b55006760
Berlioz war zwar nicht der erste, der die Bedeutung der Bratsche als Solo-Instrument in der Orchestermusik erkannte, allerdings ist seine zusammenfassende Definition im Traité d'instrumentation et d'orchestration aus dem Jahr 1843 (1905 ergänzt von Richard Strauss) durchaus aufschlussreich: »Von allen Instrumenten im Orchester ist die Viola dasjenige, dessen ausgezeichnete Eigenschaften man am längsten verkannt hat. Sie ist ebenso behend wie die Violine, der Ton ihrer tiefen Saiten besitzt einen eigentümlichen, herben Klang, während ihre Töne in der Höhe einen traurig= leidenschaftlichen Ausdruck annehmen; ihr Klangcharakter im allgemeinen ist von tiefer Schwermut und unterscheidet sich merklich von dem der anderen Streichinstrumente. Gleichwohl ist sie lange Zeit unberücksichtigt geblieben, oder nur, ebenso gehalt= wie nutzlos, dazu verwendet worden: die Baßstimme in der höheren Oktave zu verdoppeln. Verschiedene Ursachen vereinigten sich zu dieser ungerechten Dienststellung dieses edlen Instrumentes. Erstlich wußten die Meister des 18ten Jahrhunderts, da sie selten real vierstimmig setzten, zum größten Teile nicht recht, was sie mit der Viola machen sollten; wenn sie nicht gleich einige Noten fanden, die sie ihr zur Ausfüllung der Harmonie geben konnten, so zögerten sie nicht, das leidige col basso hinzuschreiben, und zwar bisweilen mit so großer Unaufmerksamkeit, daß eine Oktavenverdoppelung der Baßstimme daraus entstand, die bald mit der Harmonie, bald mit der Melodieführung, bald mit beiden zugleich in Widerspruch geriet. Ferner war es unglücklicherweise nicht möglich, damals für die Viola irgend eine bedeutsamere Stelle, die selbst ein nur gewöhnliches Talent zur Ausführung erfordert hätte, hinzuschreiben. Die Violaspieler wurden stets aus dem Ausschusse der Violinspieler entnommen. War ein Musiker unfähig, den Violinposten genügend zu bekleiden, so wurde er zur Viola versetzt. Daher kam es, daß die Bratschisten weder Violine noch Viola spielen konnten. Ich muß sogar gestehen, daß dieses Vorurteil gegen die Violastimme auch in unserer Zeit nicht gänzlich erloschen ist, daß es in den besten Orchestern noch Violaspieler gibt, die so wenig die Viola wie die Violine zu behandeln wissen. Doch sieht man neuerdings immer mehr die Mißlichkeiten ein, die aus der Duldung solcher Leute entstehen, und so wird die Viola nach und nach, ebenso wie die anderen Instrumente, nur geschickten Händen anvertraut werden. Ihr Klangcharakter erregt und fesselt die Aufmerksamkeit derartig, daß es nicht nötig ist, im Orchester die Violen in gleicher Anzahl wie die zweiten Violinen zu besetzen, und die ausdrucksvolle Beschaffenheit dieses Klangcharakters ist so hervorstechend, daß er in den sehr seltenen Fällen, wo die alten Komponisten ihr ans Licht treten ließen, niemals verfehlt hat, ihren Erwartungen zu entsprechen.« (Siehe Instrumentationslehre von Hector Berlioz. Ergänzt und revidiert von Richard Strauss, Teil 1, Leipzig 1905, S. 67.)
Bachs autographe Partituren zu den beiden Quartetten in G (Wq 95 bzw. H 539) und D (Wq 94 bzw. H 538) für Flöte, Viola, Clavier und Bass sind zusammen in einer Handschrift überliefert und befinden sich heute im Notenarchiv der Sing-Akademie zu Berlin (Signatur: SA 3328). Die Quelle ist als Digitalisat verfügbar: http://digital.staatsbibliothek-berlin.de  Von dem dritten Quartett in a (Wq 93 bzw. H 537) in gleicher Besetzung ist kein Autograph auffindbar.

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