1803-12-11La Côte-Saint-André, Frankreich1869-03-08Paris, Frankreichmale

Harold en Italie, op. 16, für Bratsche und Orchester

Besetzung
Bratsche, Orchester
Entstehungsjahr
1834
Verzeichnis, Nr.
op. 16
Spieldauer ca.
45 Min.
Schwierigkeitsgrad
Fortgeschritten
Literatur
Ewald · Directory «Musik für Bratsche», CH, 2013
Verlag
Eulenburg
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Inputs

PhSch : 
  
https://www.youtube.com/watch?v=Jpy3oviJGIM
(Aufnahme mit Wolfram Christ und den Berliner Philharmonikern unter Lorin Maazel.)
Es ist bekannt, dass Niccolò Paganini Berlioz zur Komposition der Programmsinfonie Harold en Italie anregte. Die merkwürdigen Umstände eines Besuchs Paganinis hielt Berlioz in seinen Memoiren fest: «'Ich habe eine wundervolle Bratsche', erzählte er [Paganini] mir, 'eine herrliche Stradivari, und ich würde sie gern einmal öffentlich spielen. Aber ich habe kein Stück ad hoc. Wollen Sie mir ein Solo für Bratsche schreiben? Ich mag diese Arbeit nur Ihnen anvertrauen.' 'Gewiss', antwortete ich ihm, 'Ihr Vertrauen schmeichelt mir mehr, als ich sagen kann, nur – um Ihre Erwartungen zu erfüllen, um in einer solchen Komposition einen Virtuosen wie Sie angemessen zur Geltung zu bringen, muss man Bratsche spielen können, und ich kann es nicht. Mir scheint, nur Sie allein könnten dieses Problem lösen.' 'Nein, nein, ich bestehe darauf', sagte Paganini, 'es wird Ihnen gelingen; ich selbst fühle mich momentan viel zu krank, um zu komponieren, daran ist nicht zu denken.'
Um dem berühmten Virtuosen einen Gefallen zu tun, versuchte ich also, ein Solostück für Bratsche zu schreiben, ein Solo jedoch, das auf eine Weise mit dem Orchester verbunden war, dass dieses nicht in den Hintergrund gedrängt wurde, denn ich war sicher, dass Paganini mit seiner unvergleichlichen spielerischen Präsenz dafür sorgen würde, dass die Bratsche immer die Hauptrolle behielt. Die Aufgabe erschien mir neu, und bald hatte ich in meinem Kopf ein vielversprechendes Konzept entwickelt und machte mich mit Feuereifer daran, es in die Tat umzusetzen. Kaum war der erste Satz fertig, wollte ihn Paganini auch schon sehen. Beim Anblick der Pausen, welche die Bratsche im Allegro hatte, rief er: 'Das geht nicht! Ich habe da viel zu lange tacet; ich muss unentwegt spielen.' 'Ich habe es ja gesagt', antwortete ich, 'Sie wollen ein Konzert für Bratsche, und in diesem Fall können nur Sie allein es für sich selber schreiben.' Paganini erwiderte nichts, er schien enttäuscht und ging, ohne noch weiter über meine sinfonische Skizze zu sprechen. Einige Tage später reiste er, bereits an der Kehlkopfkrankheit leidend, an der er sterben sollte, nach Nizza, von wo er erst drei Jahre später zurückkehrte.
Als ich erkannte, dass sich meine Kompositionsidee nicht für ihn eignete, bemühte ich mich, sie anderweitig auszuarbeiten, ohne mir länger darüber Gedanken zu machen, wie die Solobratsche möglichst virtuos hervortreten könnte. Ich stellte mir eine Folge von Szenen für Orchester vor, in denen die Bratsche mehr oder weniger wie eine handelnde Person auftreten sollte, die immer ihren eigenen Charakter bewahrt; ich wollte aus der Bratsche, indem ich sie mit den poetischen Erinnerungen umgab, die ich von meinen Streifzügen durch die Abruzzen behalten hatte, eine Art melancholischen Träumer machen wie Byrons Childe Harold. Daher der Titel der Sinfonie: Harold en Italie.» (Siehe Hector Berlioz. Memoiren, Neuübersetzung, hrsg. von Frank Heidlberger, übersetzt von Dagmar Kreher, Kassel 2007, Kapitel XLV, S. 268 ff.)
Berlioz' Kompositionsautograph im Besitz der Bibliothèque nationale de France in Paris steht online zur Verfügung (Signatur: MS-1189 (1)): http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b550065087
Daneben ist dort auch eine Abschrift eines von Franz Liszt angefertigten und von Berlioz durchgesehenen Klavierauszugs erhalten (Signatur: MS-171): http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b55006760