Mit einer Bratsche fing alles an

 

Dorothea und Georg Fankhauser bewirtschaften seit Jahren und mit grosser Hingabe eine Unterstützungsnische für junge Musikerinnen und Musiker. Sie orientieren sich dabei an deren konkreten Bedürfnissen.


 

Georg Fankhauser, Stiftung Pirolo

Vor dreissig Jahren erstanden sich Dorothea und Georg Fankhauser aus Basel ein Schloss im Burgund und verwirklichten damit ihren Traum eines privaten Anwesens, das gleichzeitig ein Künstlerrefugium werden sollte. In regelmässigen Abständen empfangen sie bis heute Künstler, Musiker, Maler und andere, die während einiger Zeit Schloss und Umgebung geniessen und an diesem schönen Ort arbeiten. Mehrmals im Jahr bietet die Schlossherrschaft Raum für Kurse, Proben und Konzerte. Als engagierte Amateurmusiker stehen die Eheleute schon seit geraumer Zeit in Verbindung mit der professionellen Musikwelt. Dadurch sind sie aufmerksam geworden auf die Bedürfnisse junger talentierter, aber mittelloser Studierender: sehr oft klaffen hier zwischen dem künstlerischen Potenzial und dem Instrument, auf dem dieses umgesetzt werden soll, grosse Lücken. Diese Erkenntnis führte vor bald dreizehn Jahren zur Gründung der Stiftung «Pirolo», deren zentraler Stiftungszweck es ist, qualitativ hochstehende Streichinstrumente und Bögen zu beschaffen und diese jungen, talentierten Musikern für einige Jahre unentgeltlich leihweise zur Verfügung zu stellen. Der Fokus liegt auf hervorragenden Streichinstrumenten und erstklassigen Bögen. Da der Stiftungssitz in Basel ist, konzentrieren sich die Verantwortlichen in der Hauptsache auf Absolvierende der Musikhochschule Basel.
 

Zwei Meisterbratschen

G. Fankhauser mit Cello

Dem Stifterehepaar geht es darum, «etwas Nützliches für unsere Passion, die Musik, zu tun. Wir waren erfolgreich in unseren Berufen und möchten jetzt etwas zurückgeben an talentierte Musikerinnen und Musiker, die unsere Unterstützung gut brauchen können», so Georg Fankhauser. Mit einer Bratsche fing das Ganze damals an: Im Frühsommer 2007 erwarben die Stifter eine Meisterbratsche von Giovanni Testore aus dem Jahr 1760. Erster Nutzniesser des Instruments wurde der aus Albanien stammende Bratschist Altin Tafilaj, welcher seine Ausbildung und sein Konzertdiplom an der Basler Hochschule für Musik abschloss. Heute sind rund sechzehn Einzelobjekte im Besitz von Pirolo. Vierzehn davon sind gegenwärtig ausgeliehen. Die Testore-Bratsche wird momentan von einer Studentin aus Bern gespielt. Ein weiteres Meisterinstrument ist hingegen gerade frei: eine deutsche Bratsche aus dem Jahr 1868 von Martin Richter. Daneben gehören zwei Violabögen, von Peccatte bzw. von Thomassin, zum Instrumentenfundus.
Dass die meisten Instrumente und Bögen gerade verliehen sind, heisst aber nicht, dass man jahrelang auf ein Instrument warten muss. Liegen Empfehlungen der jeweiligen Professoren vor, schicken die Fankhausers die Bewerber/innen, auf die Suche nach dem passenden Instrument, erwerben dieses, geben es als Leihgabe ab oder gewähren ein zinsloses Darlehen, damit das Instrument der Wahl erstanden werden kann.

 

 
Testore-Viola, Stiftung Pirolo
Testore-Viola, Stiftung Pirolo
Testore-Viola, Stiftung Pirolo

Musikalische Entwicklungsarbeit im Kosovo

Der Kosovo bildet neben dem Kulturschloss im Burgund und der Pirolo-Stiftung in Basel die dritte Ecke seines musikalisch-kulturellen «Bermudadreiecks», wie Georg Fankhauser sich ausdrückt. Kurz nach der Gründung der Stiftung «Pirolo» ergab sich durch eine schon länger andauernde humanitäre Tätigkeit von Dorothea Fankhauser im Kosovo ein Kontakt zur Musikschule in Gjakova, nahe der albanischen Grenze. Dort war zwar eine grosse Begeisterung fürs Musizieren zu spüren, doch fehlten die Instrumente. Somit bauten Dorothea und Georg Fankhauser eine zweite, niederschwellige Schiene der Instrumentenbeschaffung auf. Doch bleibt es nicht nur beim Helfen im materiellen Sinn. Die Wohltäter sind im Schnitt fünf Mal pro Jahr vor Ort und begleiten hautnah Musikschule-Projekte, wie Musicalaufführungen und Schulkonzerte. Hier schliesst sich wiederum das Dreieck zum Kulturschloss: Chor, Orchester und Lehrpersonen aus Gjakova wurden schon wiederholt zu Projekten ins Burgund geladen und Pirolo-Stipendiaten reisen nach Gjakova, betreuen Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler sowie Schulorchester und Ensembles. Vor zwei Jahren unterstützte die Stiftung zum Beispiel einen Austausch der Musikschule Gjakova mit der Musikschule Binningen-Bottmingen, Baselland. Chor und Orchester, bestehend aus 44 Kindern und Jugendlichen sowie fünf Begleitpersonen wurden nach Basel gebracht, um zusammen mit den Schweizer Kindern ein Musikprogramm zu erarbeiten und aufzuführen.

 

Richter-Viola, Stiftung Pirolo
Richter-Viola, Stiftung Pirolo
Richter-Viola, Stiftung Pirolo

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Dieser Blogartikel wurde verfasst von Niklaus Rüegg, diplomierter Opernsänger (Musikakademie Basel), Absolvent des Internationalen Opernstudios Zürich, zweimaliger Gewinner des Migros-Begabten-Stipendiums, zahlreiche Engagements in Oper, Operette, Musical und Konzert im In- und Ausland.
Seit zehn Jahren ist Rüegg auch als Musikjournalist tätig und betreut unter anderem die Verbandsseiten des VMS (Verband Musikschulen Schweiz) in der Schweizer Musikzeitung. Als junger Mensch hatte Niklaus Rüegg Geige und Bratsche gespielt.


Photos: Niklaus Rüegg und Stiftung Pirolo
 

Noten für Bratsche als Download

 

 

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