Die Karriere der jungen Bratschistin Hélène Clément

 

Niklaus Rüegg – Das englische Magazin Gramophone nennt das Doric String Quartet «one of the finest young string quartets» und lobt dessen Mitglieder als «Musiker, die faszinierende Dinge zu sagen haben». Das Quartett konzertiert weltweit in den wichtigsten Konzertsälen. Viele Preise und Auszeichnungen zeugen von einer höchst erfolgreichen Karriere. Seit viereinhalb Jahren spielt die junge Französin Hélène Clément den Bratschenpart. Sie bekam direkt nach Abschluss ihres Studiums bei Tabea Zimmermann die Chance einzusteigen.
Ich hatte die Gelegenheit, Frau Clément anlässlich des 4. Mizmorim Festivals in Basel zu treffen und mich mit ihr über ihren Werdegang, das Verhältnis zu ihrem Instrument und das Zusammenspiel in einem höchst erfolgreichen Quartett zu befragen.
In derselben Woche, in der die Künstler nach Basel kamen, gaben sie Konzerte in Memmingen, Deutschland und in Rapperswil.
 

Hélène Clément spielt zusammen mit
dem Akkordeonisten Teodoro Anzellotti.

Nach dem intensiven Basler Konzertwochenende, an dem das Quartett verschiedene Programme einzustudieren und zu spielen hatte – unter anderem das Oktett in F-Dur von Franz Schubert für Klarinette, Fagott, Horn, Streichquartett und Kontrabass und die Uraufführung des Oktetts von Josef Bardanashvili in gleicher Besetzung –, ging es gleich weiter zur String Quartet Biennale in Amsterdam. Nach zwei Tagen zuhause in London folgt eine zweiwöchige USA-Tournee mit Stücken von Mendelssohn, Haydn, Beethoven und Thomas Adès. Ende Februar werden die gefragten Künstler im Rahmen der Haydn String Quartet Series in der Wigmore Hall London einige Haydn-Quartette aufführen.

Die Musiker sind seit 2010 beim CD-Label Chandos unter Vertrag. Alljährlich nehmen sie eine bis zwei CDs mit jeweils einem Komponisten auf, darunter Haydn, Schubert, Schumann, Chausson, Korngold, Janáček, Martinů, und Walton. Zweimal sind sie für den Gramophone Award nominiert worden.

 

www.doricstringquartet.com

 
Im Quartett fühlt sich Hélène Clément
zu Hause.

Hélène, herzliche Gratulation zu diesem Konzertwochenende in Basel! Sie und Ihre Kollegen waren wunderbar!
Danke!

 

Die Konzerte am Mizmorim Festival zeichnen sich durch eine grosse Dichte von erstklassigen Musikern aus...

Ja, Michal Lewkowicz, die Direktorin des Festivals, hat gute Beziehungen. Sie stellt das Programm so zusammen, dass die meisten Künstler in verschiedenen Stücken zum Einsatz kommen. Wir vom Doric String Quartet haben nach 2015 und 2017 schon das dritte Mal am Festival teilgenommen. Ich hatte eine strenge Zeit, aber ich habe viel Neues gelernt.
 

Das Doric String Quartet ist eines der führenden Streichquartette Grossbritanniens. Sie konzertieren weltweit sehr erfolgreich. Wie fing alles an?

Gegründet wurde das Quartett bereits vor zwanzig Jahren von den beiden damals Fünfzehnjährigen Alex Redington (Erste Violine) und John Myerscough (Cello). Kurz danach kam die Zweite Geige (Jonathan Stone) hinzu. Ich wurde vor viereinhalb Jahren aufgenommen. Das Quartett war immer schon mehr im Ausland als in Grossbritannien unterwegs. Seit drei Jahren geht es richtig vorwärts. Inzwischen häufen sich die Anfragen und wir können unsere Programme selbst bestimmen.

 

«Ich hatte in Basel eine
strenge Zeit, aber ich habe
viel Neues gelernt.»

Kammermusik hat in den letzten Jahren einen enormen Boom erlebt. Gibt es im Quartettmarkt viel Konkurrenz?
Ja sehr, Kammermusik hat Konjunktur. Es ist unglaublich, wie viele gute junge Leute sich heute für Kammermusik interessieren. Dieser Trend hat sich in den letzten paar Jahren enorm verstärkt.

 

Wie haben Sie zur Bratsche gefunden? Oder hat die Bratsche Sie gefunden?
(Lacht) Beides. Ich wollte immer Bratsche spielen. Ich habe mit acht Jahren gleich mit dem Instrument angefangen und bin bei ihm geblieben. Ich komme aus einer Musikerfamilie. Mein Vater spielt Orgel, meine Mutter Oboe und meine Grossmutter war Geigerin. Ich wollte etwas Ähnliches machen wie sie, aber nicht das Gleiche.
 

Was bedeutet die Bratsche für Sie persönlich?
Für die Bratsche in der Kammermusik haben Komponisten ihr Bestes gegeben. Aber es gab eine Zeit in meiner Karriere, als ich mich fragen musste, welche Musik ich spielen wollte. Mein Selbstverständnis als Bratschistin wurde da etwas weniger wichtig. Heute steht für mich das Bedürfnis, Kammermusik zu machen im Vordergrund.
 

«Seit drei Jahren häufen sich
die Anfragen und wir können
unsere Programme selbst
bestimmen.»

Die Bratsche ist sowohl in der Kammermusik als auch im Orchester ein unterstützendes Instrument. Sie steht selten im Mittelpunkt...

Ja, das stimmt, aber ich liebe es, eine Mittelstimme zu spielen. Ich liebe diese Art von Interaktion. In unserem Quartett geht es darum, zusammen zu musizieren. Wir arbeiten auf demokratische Weise zusammen. Es ist nicht so, dass wir uns der ersten Geige unterordnen müssen, im Gegenteil, Alex spielt sehr leicht und transparent und fügt sich wie alle andern in den Gesamtklang ein.

 
Ist der Bratschenklang in einer Weise mit dem Cello vergleichbar, welches ja die gleichen Saiten hat?
Für mich darf eine Bratsche nie wie ein Cello klingen. Sie sollte nicht die Macht eines Cellos haben, sondern sich durch einen ganz unverwechselbaren, klaren Ton auszeichnen. Gerade im Quartett ist dieses spezielle Timbre sehr wichtig, da es sich absetzen muss von den andern Instrumenten. Meine Lieblingssaite ist die A-Saite. Sie hat einen charakteristischen, dominanten Klang.

 
Was spielen Sie heute für ein Instrument?
Ich spiele ein neues Instrument aus dem Jahr 2008 von Stephan von Baehr. Er arbeitet in Berlin und Paris und kreiert erstklassige, auf den Künstler zugeschnittene Geigen, Bratschen und Celli. Mein Instrument hat genau den Klang, den ich suchte. Von Baehr hat auch das Griffbrett perfekt auf meine Hände hin massgeschneidert. Er hat ein gutes Ohr und spürt, nach was ein Künstler sucht. Das gegenseitige Vertrauen spielt eine grosse Rolle.

 

Wie haben Sie angefangen, wo haben Sie studiert?
Ich komme aus Clermont-Ferrand. Hier habe ich mit dem Unterricht angefangen. Dann ging ich an ein Konservatorium in der Nähe von Paris, dann ans Conservatoire National Supérieur. Während der Zeit nahm ich Stunden bei Hariolf Schlichtig in München, dem ich wichtige Impulse verdanke. Anschliessend arbeitete zwei Jahre mit Tabea Zimmermann in Berlin. In dieser Zeit machte ich viel Kammermusik in Frankreich, Deutschland und Amerika und spielte als Zuzügerin in verschiedenen Orchestern wie dem Gewandhaus.

 

Wie sieht Ihr «normaler» Tagesablauf aus?
Normalerweise proben wir vier Stunden täglich mit dem Quartett, dann komme ich nach Hause und übe noch einmal zwei Stunden für mich. Ich unterrichte auch noch an der Royal Academy of Music. Danach bleibt in der Regel nicht mehr viel Zeit für das Privatleben.
 

«Meine Grossmutter war Geigerin.
Ich wollte etwas Ähnliches machen wie
sie, aber nicht das Gleiche.»

Sie sind viel unterwegs. Wie lässt sich das alles vereinbaren?

Diesbezüglich haben wir strikte Regeln: Wir gehen nie länger als zwei Wochen am Stück  weg. Auch freie Tage sind uns wichtig. Im Sommer nehmen wir regelmässig einige Wochen Ferien. Meine Kollegen haben eigene Projekte und Ensembles und zum Teil Familie; da ist eine gute Planung wichtig.
 
Lieben Sie es, Aufnahmen machen?
Ja sehr. Es ist wichtig, dass man sich nicht stressen lässt dabei und Spass hat. Wenn einer der Gruppe schlechte Laune hat, geht es nicht. Wir sind sehr glücklich mit unserer CD-Firma Chandos. Sie lassen uns praktisch selbst entscheiden, was wir aufnehmen wollen.
 
Sie wurden an die Royal Academy of Music in London berufen, um Quartett-Unterricht zu erteilen. Wie funktioniert das?
Wir geben eine Art Blockunterricht an ein paar Sonntagen im Semester. Jeder unterrichtet separat und am Ende des Tages wird das Gelernte in Konzerten präsentiert. Ich mag es sehr, zu unterrichten und die jungen Leute zeigen grossen Einsatz. Die Qualität ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Ich habe seit letztem Jahr auch einige Einzelstudenten. Ich lerne selbst sehr viel dabei, denn ich muss mich ständig hinterfragen und mich in das jeweilige Stadium der Studenten hineinversetzen. Ich versuche immer ermutigend zu sein und der individuellen Entwicklung Zeit zu geben.

 
Hélène, herzlichen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für Ihre bevorstehenden Konzerte!

Niklaus Rüegg
 
Der neue Violablog wird verfasst von Niklaus Rüegg, diplomierter Opernsänger (Musikakademie Basel), Absolvent des Internationalen Opernstudios Zürich, zweimaliger Gewinner des Migros-Begabten-Stipendiums, zahlreiche Engagements in Oper, Operette, Musical und Konzert im In- und Ausland.
Seit zehn Jahren ist Rüegg auch als Musikjournalist tätig und betreut unter anderem die Verbandsseiten des VMS (Verband Musikschulen Schweiz) in der Schweizer Musikzeitung.
Als junger Mensch hatte Niklaus Rüegg Geige und Bratsche gespielt.

Fotos: Niklaus Rüegg.

 
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